Letztbegründung

Letztbegründung
Letztbegründung,
 
Terminus der neueren Philosophie für das Problem einer letztgültigen, objektiven Rechtfertigung des Erkennens und Handelns durch die logische Rückführung auf einen letzten Grund. Dieser muss in sich selbst evident sein, darf keiner weiteren Begründung bedürfen, um nicht in den Zwang unendlich fortschreitender Begründung (Begründungsregress) zu geraten.
 
R. Descartes' Suche in seinen »Meditationes« (1641) nach einem »fundamentum inconcussum veritatum« (unerschütterliches Fundament der Wahrheit), das er im »cogito« (ich denke) zu finden glaubte, wurde in der Philosophie des deutschen Idealismus bei K. L. Reinhold, J. G. Fichte, F. W. J. Schelling, G. W. F. Hegel als Problem der Begründung des Anfangspunktes weitergeführt und erfuhr im Neukantianismus bei P. Natorp und H. Rickert eine logische Ausdeutung. E. Husserl entwirft in seinen »Méditations cartésiennes« (1931; deutsch »Cartesianische Meditationen«) die Idee der transzendentalen Phänomenologie als einer »Wissenschaft aus absoluter Begründung«, deren letzten Grund er im transzendentalen Ego sieht. Im Unterschied dazu fordert H. Dingler eine »Vollbegründung« durch Rückführung auf ein oberstes Ziel.
 
Im »Begründungsstreit« (seit Ende der 1960er-Jahre) bestreitet H. Albert im Anschluss an K. R. Popper prinzipiell die Möglichkeit einer Letztbegründung, da ein solches Unterfangen entweder zu einem unendlichen Regress führe oder zu einem Zirkel, bei dem das zu Begründende jeweils als begründet vorausgesetzt wird, oder zu einem Abbruch der Begründung an einem beliebigen Punkt, der dann dogmatisiert werde (bezeichnet als »Münchhausen-Trilemma«). K.-O. Apel dagegen behauptet die Möglichkeit einer reflexiven Letztbegründung des Erkennens durch Besinnung auf die notwendigen ethischen Grundbedingungen jeder (moralischen) Argumentation. Eine Einsicht gilt nach Apel als letztbegründet, wenn sie 1) nicht ohne pragmatischem Selbstwiderspruch negiert und 2) nicht ohne Zirkel abgeleitet werden kann.
 
 
H. Albert: Traktat über krit. Vernunft (41980);
 H. Albert: Die Wiss. u. die Fehlbarkeit der Vernunft (1982);
 
Philosophie u. Begründung, hg. vom Forum für Philosophie Bad Homburg (1987);
 K.-O. Apel: Diskurs u. Verantwortung (1988);
 
L. als System?, hg. v. H.-D. Klein (1994);
 K. Mertens: Zw. L. u. Skepsis (1995).

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Letztbegründung — heißt in Philosophie und Wissenschaftstheorie die Rückführung von Geltungsansprüchen hinsichtlich Wahrheit und Gewissheit (Certismus) auf letzte sichere Grundlagen. Eine solche Strategie der Rechtfertigung mit dem Anspruch auf Selbst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Transzendentalpragmatik — (lat. transcendere, „hinübergehen, (hin)überschreiten“, und gr. πράγμα, pragma, „Handeln“) ist eine maßgeblich auf das Werk von Karl Otto Apel zurück gehende philosophische Strömung. Sie steht der von Jürgen Habermas entwickelten… …   Deutsch Wikipedia

  • Transzendentalphilosophie — Der Begriff Transzendentalphilosophie umfasst philosophische Systeme und Ansätze, die die Grundstrukturen des Seins nicht durch eine Ontologie (Theorie des Seienden), sondern im Rahmen des Entstehens und Begründens von Wissen über das Sein… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl-Otto Apel — (* 15. März 1922 in Düsseldorf) ist ein deutscher Philosoph. Er ist ein Vertreter der Diskursethik sowie einer sprachpragmatischen, intersubjektiven Transzendentalphilosophie (Transzendentalpragmatik). Apel gehört zu den einflussreichsten… …   Deutsch Wikipedia

  • Harald Holz — Holz 2007 Harald Holz (* 14. Mai 1930 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Philosoph. Er entwickelte die Transzendentalphilosophie fort, holte sie aus der Engführung des Neukantianismus heraus. Im Anschluss an eine Neuinterpretation der… …   Deutsch Wikipedia

  • Hösle — Vittorio Hösle (* 25. Juni 1960 in Mailand) ist ein deutscher Philosoph. In den 80er Jahren galt er als der „Boris Becker der Philosophie“[1], weil er bereits mit 22 Jahren promovierte, mit 24 Jahren habilitiert und zwei Jahre später Professor… …   Deutsch Wikipedia

  • Kritischen Rationalismus — Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl R. Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der… …   Deutsch Wikipedia

  • Kritischer Rationalismus — Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl R. Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der… …   Deutsch Wikipedia

  • Methodologischer Falsifikationismus — Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl R. Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der… …   Deutsch Wikipedia

  • Raffinierter Falsifikationismus — Der Kritische Rationalismus ist eine von Karl R. Popper begründete philosophische Denkrichtung. Popper beschreibt ihn als Lebenseinstellung, „die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”